Zehn Jahre „Perspektive JOB“: 160 jungen Menschen Arbeit vermittelt

„Ein superkompetenter Mitarbeiter“: Haval Fakher Mischko, Projektteilnehmer von „Perspektive JOB“ (3. v. l.), sprach mit Beraterin Heidi Koch, Dr. Peter von Möller (Unternehmer und Vorsitzender der Stiftung Möllerstift), Berater Torsten Hermann sowie Björn Neßler (Geschäftsführer DiakonieVerband Brackwede) und Sozialdezernent Ingo Nürnberger über das Rad-Projekt. © Diakonie Gütersloh e. V.

Bielefeld, 17. Oktober 2019. Ein außergewöhnliches Quartiersprojekt führt seit zehn Jahren junge Menschen aus dem Bielefelder Süden, die keine oder schlechte Startchancen haben, in eine berufliche Zukunft. Und das mit großem Erfolg: Von 280 Teilnehmer*innen am Projekt „Perspektive JOB“ sind 160 in den Arbeitsmarkt vermittelt worden – rund 80 Prozent sogar dauerhaft. Ein Grund zum Feiern für den DiakonieVerband Brackwede, der das Projekt leitet, und die Stiftung der Möller Firmen. Sie hat das Vorhaben angestoßen und trägt den größten Teil der Kosten.

„Ich habe dieses Projekt immer mit Freude begleitet, denn es war von Anfang an erfolgreich“, sagte Dr. Peter von Möller, Unternehmer und Vorsitzender des Kuratoriums der Stiftung Möllerstift, in seiner Eröffnungsrede. Den rund 60 Zuhörern erläuterte er im Gästehaus Kupferhammer der MöllerGroup in Brackwede, worum es ihm von Anfang an ging: „Die Stiftung sollte sich für Jugendliche einsetzen, die sich in ihrem Umfeld und daher auch mit der Integration in das Arbeitsleben sehr schwer tun.“

 

„Geistiger Vater des guten Gelingens“

Nach anfänglichen Überlegungen, auf dem Werksgelände der Möller Firmen etwas aufzubauen, schlug Pfarrer Berthold Schneider dem Kuratorium der Stiftung Möllerstift vor, das Projekt in Kooperation mit dem DiakonieVerband in Brackwede und mit dessen Know-how umzusetzen. „Gemäß den Vorgaben der Stiftung entwickelte Werner S. Franzen das Konzept für „Perspektive Job“, berichtete Dr. von Möller weiter. „Er legte damit den Grundstein für den großen Erfolg dieses Projekts. Er wurde sozusagen zum geistigen Vater des guten Gelingens.“

 

Viel Zeit und kleine Schritte

Aktuell unterstützt das Quartiersprojekt rund 120 Jugendliche. Ein dreiköpfiges Berater-Team führt die Teilnehmer*innen persönlich, intensiv und mit viel „Fingerspitzen-Gefühl“ von der Schule an das Berufsleben heran. Rund 85 Prozent ihrer Arbeitszeit verwenden Werner S. Franzen, Heidemarie Koch und Torsten Hermann darauf, Orientierungshilfen zu geben. „Viele junge Menschen kommen zu uns mit einem schlechten Selbstwertgefühl. Sie wissen gar nicht, was sie können“, erläuterte anstelle des erkrankten Werner S. Franzen seine Kollegin Heidi Koch. Zunächst gehe es daher darum, Vertrauen aufzubauen, Fähigkeiten „herauszukitzeln“ und zu fördern und, nicht zuletzt darum, Gemeinschaft zu erleben.

 

Das gelingt beispielsweise in zeitlich begrenzten Teilprojekten; beim Reparieren von Rädern im „Rad-Keller“, beim gemeinsamen Tüfteln an älteren Computern, beim Malen oder dem Bau von Palettenmöbeln. „So lernt man die Leute noch einmal ganz anders kennen“, sagt Torsten Hermann. „Einige Mädchen sind durch das Möbel-Projekt auf die Idee gekommen, dass ein handwerklicher Beruf genau das Richtige für sie sein könnte“, berichtet Heidemarie Koch. Und Gemeinschaft zu erleben, das gelinge auch beim gemeinsamen Kochen, denn: „Beim gemeinsamen Essen findet der Austausch statt.“

 

„Potenzial ist mehr, als in einem Schulzeugnis steht“

„Manche Menschen müssen erst einmal in andere Hände gelangen, bevor sie eine echte Job-Perspektive haben.“ Das hat auch Maja Gehle erkannt, Ausbildungsbetreuerin bei den Kipp-Firmen. Bei ihr hatte sich Youssouf Touré beworben, ein Teilnehmer aus dem Projekt. Auf einen Tipp von Berater Torsten Hermann hin hatte er den „Tag der offenen Tür“ des Unternehmens besucht. Maja Gehle legte seine Bewerbungsmappe zunächst beiseite. Dass er kaum Deutsch sprach, schien für sie ein Ausschlusskriterium. Doch der junge Mann aus Brackwede hakte nach. Er wünschte sich ein Praktikum, erhielt eine Chance und bewährte sich. Mehr als das: Nun hält er nicht nur einen Gesellenbrief als Tiefbau-Facharbeiter in den Händen. Er ist auch ein geschätzter Mitarbeiter – der im kommenden Jahr seine Ausbildung noch zum Straßenbauer erweitert. Seitdem hat Maja Gehle ihre Betrachtungsweise verändert: „Potenzial ist mehr, als in einem Schulzeugnis steht. Wenn jemand wirklich will, ist alles machbar.“ Am Freitag dankte sie den Beratern der „Perspektive JOB“, die Youssouf intensiv begleitet hatten.

 

Etwa 40 Betriebe zählen zum Netzwerk

Mit rund 40 Betrieben, vornehmlich im Bielefelder Süden, hat das Projekt inzwischen ein stabiles Netzwerk geknüpft. So können die Jugendlichen manchmal „auf Zuruf“ Praktika absolvieren und später eine Ausbildung starten oder eine andere Beschäftigung finden. Selbst nach erfolgreicher Vermittlung begleiten die Berater die jungen Menschen noch ein Stück auf ihrem Weg.

„Ganzheitliche Beratung“ im Netzwerk führt aber noch weiter. Schulen gehören dazu, aber auch kommunale Einrichtungen, Jugendzentren, das Arbeitsamt oder auch die Schuldnerberatung.

 

Etwas gegen den Fachkräftemangel tun

Auf das Thema Fachkräftemangel kam Bezirksbürgermeisterin Regina Kopp-Herr zu sprechen: „Wir sind ein Industriestandort, ein wirtschaftlich starker Stadtbezirk mit Unternehmen wie zum Beispiel der MöllerGroup, der Böllhoff-Gruppe, aber auch mit Goldbeck Bau in Ummeln. Wir haben alle Schulformen am Ort und viele junge Menschen, die wir brauchen werden.“ Viele redeten vom Fachkräftemangel. Die „Perspektive JOB“ greife das Thema aktiv auf.

 

„Von Anfang an gut durchdacht“

Von Anfang sei das Projekt „gut durchdacht“ und auf lange Zeit angelegt gewesen, würdigte Ingo Nürnberger, Sozialdezernent der Stadt Bielefeld in seiner Rede. Vorbildlich sei auch die Konzentration auf den Stadtteil und das Engagement so vieler Brackweder Familien-Unternehmen. „Manchmal erleben junge Menschen hier zum ersten Mal, dass Erwachsene sie ernst nehmen, ihre Stärken würdigen und weiterentwickeln.“

 

„Ein Berater aus dem Jobcenter kann das nicht leisten“

Im Laufe der Jahre ist das Projekt „Perspektive JOB“ ständig gewachsen. Wird es angesichts von immer mehr freien Stellen auf dem Arbeitsmarkt bald überflüssig? „Auf keinen Fall“, sagt Werner S. Franzen. „Beratung und Coaching brauchen Zeit. Wir behalten die Lebensumstände im Blick und besuchen, wenn nötig, die Teilnehmenden auch zu Hause.“ Diesen Zeitaufwand könne ein Mitarbeiter aus dem Jobcenter gar nicht leisten, sagte der Berater schon im Vorfeld der Veranstaltung.

 

Stiftung Möllerstift trägt Löwenanteil der Kosten

Rund 1.100.000 Euro sind seit 2009 in das Projekt geflossen.

Die Bielefelder Stiftung Möllerstift trug davon den Löwenanteil. Sie beteiligte sich bisher mit rund 820.000 Euro. Damit bestreitet sie einen erheblichen Teil der Personalkosten für die drei Projektmitarbeiter*innen. Den Rest übernimmt der DiakonieVerband, auch mit Hilfe der Kirchensteuer.

 

„Sie geben den Jugendlichen Selbstvertrauen zurück“

„Auf die meisten Menschen passt der Sozialstaat auf. Doch es gibt immer wieder Menschen, die durch das Raster fallen“, sagte Björn Neßler, Geschäftsführer des DiakonieVerbands Brackwede.

„Die Kolleg*innen im Projekt Perspektive JOB verrichten hier eine ganz wertvolle Arbeit. Denn sie vermitteln nicht nur Jugendliche mit herausforderndem Hintergrund in ein Beschäftigungsverhältnis. Sie geben ihnen Selbstvertrauen und Selbstwertgefühl zurück; sie zeigen ihnen, dass sie etwas erreichen können. Deswegen ein großes Dankeschön an die Stiftung Möllerstift, die dieses wichtige Projekt überhaupt erst möglich gemacht hat.“

 

Hintergrund:

Zur Stiftung Möllerstift
 

Die Stiftung Möllerstift des Bielefelder Unternehmens MöllerGroup besteht seit 1879. Sie unterstützt vor allem sozial Benachteiligte, darunter besonders Menschen mit Behinderungen sowie Kinder und Jugendliche im Bielefelder Süden.