Eine weiter steigende Nachfrage nach Schuldnerberatung sieht Sandra Fuest, Leiterin der Schuldnerberatung in Beckum, als Folge der Inflation. „Das Überschuldungsrisiko steigt. Dies bekommen wir deutlich zu spüren“, sagt sie zu Beginn der Aktionswoche Schuldnerberatung der Arbeitsgemeinschaft Schuldnerberatung der Verbände (AG SBV), die vom 12. bis 16. Juni stattfindet. „Viele Menschen machen sich große Sorgen und sind verunsichert, wie sie die Zukunft bewältigen können. Das erleben wir tagtäglich in unserer Schuldnerberatung. Einige Ratsuchende hätten nie gedacht, dass sie einmal die Schuldnerberatung benötigen würden. Es kommen z.B. vermehrt Menschen zu uns, die nicht wissen, wie sie die neuen Strom-, Gas- und Wasserabschläge bezahlen können“, so Fuest.
„Das Motto der Aktionswoche Schuldnerberatung ‚Was können wir uns noch leisten? – Überschuldungsrisiko Inflation‘ gibt die Stimmung ganz gut wieder“, sagt Christa Birkner, die u.a.in Ahlen berät. Es sei deutlich zu spüren, dass die meisten Waren, Energie, Mieten und andere Dinge des täglichen Bedarfs teurer geworden seien. „Haushalte mit knappem Einkommen trifft es besonders hart“, sagt sie. Nicht wenige Haushalte müssten bereits ein Drittel ihres Einkommens allein für den Wohnraum ausgeben und eine Entspannung der Situation sei nicht in Sicht. Umso schwieriger werde es dann, die gestiegenen Energiekosten und die deutlich teureren Lebenshaltungskosten zu stemmen.
„Als gemeinnützige Schuldnerberatung ist es uns ein Anliegen, in der Diskussion über Inflation und ihre Folgen die Menschen in den Mittelpunkt zu stellen, die aufgrund ihrer Einkommenssituation besonders von der Inflation betroffen sind“, sagt Martin Hain, Leiter der Schuldnerberatung im Kreis Gütersloh und in Brackwede. Daher unterstützt er die Forderungen der AG SBV zur Aktionswoche Schuldnerberatung. „Wir brauchen einen gesetzlichen Rechtsanspruch auf Schuldnerberatung“, sagt er. Das sei angesichts des deutlich wachsenden Beratungsbedarfs dringend notwendig. Denn die Zugänge zur Schuldnerberatung seien deutschlandweit sehr uneinheitlich. Zudem müsse es einen zukunftsweisenden Ausbau der Finanzierung von sozialer Schuldnerberatung geben. Das bedeutet auch, die etablierten Beratungsstrukturen zu stärken und für eine auskömmliche Finanzierung zu sorgen.
Die Schuldnerberater*innen fordern einen generellen Pfändungsschutz von existenzsichernden Leistungen. Solange es den nicht gebe, sei eine finanzielle Abwärtsspirale für viele Haushalte vorprogrammiert. Diese führe dann auch dazu, dass grundlegende Dinge wie Strom oder Gas nicht mehr bezahlt werden könnten, so dass es zu Energiesperren komme. Zusätzlich müsse ein unbürokratischer Zugang zu Sozialleistungen gewährleistet werden.
Christa Birkner weist darauf hin, dass für viele ihrer Klient:innen wegen der in Folge der Inflation steigenden Zinsen Kredite deutlich teurer würden. „Auch der ohnehin schon teure Dispokredit wird noch kostspieliger. Aber gerade Haushalte mit knappem Einkommen müssen diesen viel häufiger nutzen. Ebenso wird es für manche Familie, die sich mühevoll ein Eigenheim geleistet hat, ein böses Erwachen geben. Die Anschlussfinanzierung wird sehr viel teurer werden und wenn der Immobilienmarkt einbricht, wird es unter Umständen keine Anschlussfinanzierung geben“, sagt sie.
Das Forderungspapier der AG SBV zur Aktionswoche Schuldnerberatung 2023 findet sich im Internet unter: www.aktionswoche-schuldnerberatung.de.
Allein in 2022 haben die Schuldnerberater:innen in Bielefeld 537 Klient:innen, im Kreis Warendorf 651 Klient:innen und im Kreis Gütersloh 782 Klient:innen beraten.
Schuldnerberaterin Sandra Fuest erlebt, dass vermehrt Menschen in die Beratungsstellen kommen, die nicht wissen, wie sie die neuen Strom-, Gas- und Wasserabschläge bezahlen sollen.