„Vor 20 Jahren kam ich aus der Ukraine nach Deutschland. In Mykolaiv hatte ich als Chemikerin dekorative Kosmetik hergestellt und entwickelt. Im Labor wurden Inhaltsstoffe für Lippenstifte, Rouge oder Puder kombiniert, aber auch für Shampoo und andere Hygieneartikel. Diese Arbeit habe ich geliebt! Und ich hatte gehofft, hier in Deutschland etwas Ähnliches machen zu können. Aber daraus wurde nichts: Mein Studienabschluss wurde nicht anerkannt. Daher hätte ich mein Examen noch einmal ablegen müssen.
Ein Schnupperpraktikum brachte die Wende
Also lernte ich erst einmal so schnell wie möglich Deutsch. Bei der Agentur für Arbeit gab mir eine Sachbearbeiterin den Tipp, ein Schnupperpraktikum in der Pflege zu absolvieren. Berührungspunkte zu dem Thema hatte ich bis dahin gar nicht. So kam ich ins Ernst-Barlach-Haus in Bielefeld-Sennestadt. Acht Wochen dauerte das Praktikum. Anschließend arbeitete ich als Altenpflegehelferin und in der Hauswirtschaft und startete 2006 eine Ausbildung zur examinierten Altenpflegerin
Der Ambulante Dienst: „schön und aufregend“
Drei Jahre später hatte ich meinen Abschluss in der Tasche und wurde sofort übernommen, zunächst in der ambulanten Pflege. Das war sehr schön, nicht zuletzt wegen der engen Beziehung zu den Klient:innen, aber auch aufregend, denn bei meinen Einsätzen war ich auf mich allein gestellt. Diese Zeit hat mich fachlich noch weitergebracht.
Immer mehr Verantwortung übernommen
2013 übernahm ich die Vertretung für eine Wohnbereichsleiterin im EBH. Als sie nicht zurückkam, war ich auf Dauer offiziell zuständig für 36 Bewohnerinnen und Bewohner und etwa 26 Mitarbeitende.
2016 wechselte ich in den somatischen Bereich. Mit einer ganz anderen Klientel und anderen Krankheitsbildern, zum Beispiel nach einem Schlaganfall. Nun trug ich Verantwortung für mehr als 50 Bewohnerinnen und Bewohner und etwa 40 Mitarbeitende.
2018 begann meine Weiterbildung zur Wohnbereichs- und Pflegedienstleitung. Frau Vogelsang, die Leiterin des EBH, hat mich dabei immer unterstützt und beim Dienstplan Rücksicht genommen. Die zwei Jahre waren eine harte Zeit – fast jeden Monat eine Woche Blockunterricht, plus Haus-und Abschlussarbeiten – aber sehr interessant! Heute kann ich sagen: Davon habe ich auch persönlich profitiert.
„Eine Mischung aus strukturiert und chaotisch“
Inzwischen bin ich in der Altenpflege angekommen. Jeder Tag ist anders, mit neuen Herausforderungen. Es ist eine Mischung aus strukturiert und sehr chaotisch. Aber genau das liebe ich. Von der direkten Pflege, wenn Not am Mann oder Frau ist, über die Küche, die Pforte – ich mag alles! Ich finde: Jede Tätigkeit ist wichtig, und so zeige ich Solidarität mit meinen Kolleg*innen im Haus.
Mein Schreibtisch ist nie leer. Aber wenn ich zu viel sitze, wird mir langweilig. Dann brauche ich die Abwechslung. Und wenn ich in der Pflege mitarbeite, dann weiß ich, was ich geschafft habe. Außerdem unterhalte ich mich gern mit Menschen.
Mit der Corona-Zeit abgefunden
Die Corona-Zeit war nicht einfach, aber wir haben uns damit abgefunden. Hier gab es zwei Ausbrüche. Ich bin froh, dass wir keinen einzigen Bewohner an die Krankheit verloren haben. Das Schlimmste für die Beteiligten war wohl die Isolation.
Wenn ein Bewohner die anderen motiviert
Viele Bewohner:innen liegen mir am Herzen. Einer von ihnen ist Dietrich Schulz. Er war auch im Heimbeirat aktiv. Mich hat er fasziniert durch seine aufgeräumte Art. Ich bewundere einfach Menschen wie ihn, die selbst in schwierigen Lebenslagen positiv bleiben. Manche motivieren sogar noch andere Bewohner, denen es objektiv gesehen besser geht.
Mit der Trauer umgehen
Ein schwieriges Thema, das zu unserem Beruf gehört, ist das Sterben. Ich habe Jahre gebraucht, um mit dem Tod von Menschen umgehen zu können, die wir betreut haben. Das waren solche Verluste für mich … Eine Weiterbildung und Gespräche mit Anderen haben mir sehr geholfen. Nun versuche ich, zu jeder Trauerfeier zu gehen; das konnte ich anfangs gar nicht. Am Grab zu stehen, das war nicht das Schlimmste. Viel schwieriger war es für mich, in der Trauerkapelle zu sitzen und innerlich von den Menschen Abschied zu nehmen. Doch inzwischen kann ich damit umgehen. Es ist eben ein wichtiger Abschluss nach einer langen gemeinsamen Zeit.
„Das EBH ist mein zweites Zuhause“
Wie meine beruflichen Zukunftspläne aussehen? Ich kann mir vorstellen, bis zur Rente hierzubleiben. Das EBH war und ist wie mein zweites Zuhause. Wir haben tolle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und ich komme nach wie vor gern hierher.“