Die Wohnküche ist der beliebteste Raum in jeder Pflege-Wohngruppe. Denn hier ist immer etwas los. Auch während der Corona-Pandemie muss niemand in seinem oder ihrem Zimmer bleiben, denn das Sicherheitskonzept greift. Die Senior*innen können zusehen, wie das Mittagessen gekocht oder ein Kuchen gebacken wird und – mit Hilfe einer Betreuungskraft – selbst mitmachen, soweit es ihre Fähigkeiten zulassen. Fast wie früher.
Eingewöhnungszeit verkürzt sich
Das verkürzt die Eingewöhnungszeit beträchtlich. „Viele fühlen sich schon nach wenigen Wochen angekommen“, sagt die Leiterin der Wohngruppen Irina Gieswein. „Das hängt insbesondere damit zusammen, dass immer wieder alle Sinne angesprochen werden und die Bewohner*innen unserer Wohngruppen eine familiäre und überschaubare Umgebung vorfinden – so hat jede unserer Wohngruppen gerade einmal neun Bewohner*innen“.
Immer wieder Küche für die „Sinne“
Die Gerichte werden regelmäßig frisch zubereitet, aktuell zum Beispiel Spargelgerichte oder passend zur Jahreszeit beim „Angrillen“. Hoch im Kurs stehen regionale Speisen, wobei saisonales Obst und Gemüse Verwendung finden.
Lieblingsgerichte wecken Erinnerungen
Es geht darum, spontan zu bleiben, persönlich und individuell zu handeln. Dabei haben die Pflege- und Betreuungskräfte die Lebensgeschichte jedes Menschen im Blick, sprich die Biografie. Auch, was die Speisen betrifft. Da kommen „Klassiker“ wie Sonntagsbraten und Gulasch auf den Tisch, aber auch Lieblingsgerichte von Senior*innen aus Schlesien oder Ostpreußen und gern auch mal ein „Eierlikörchen“ oder ein „Gläschen Rotwein“ am Abend. Wichtig: Die Bewohner*innen gestalten den Speiseplan mit.
Tolle Ideen und Tipps kommen aus der Gruppe
Manche Frauen schälen gern Kartoffeln. Andere falten Handtücher. Wieder andere Bewohner*innen schauen gerne zu. „Völlig in Ordnung“, sagt ihre Betreuerin. „Toll ist es, dass aus der Gruppe immer wieder tolle Ideen und Tipps kommen.“
Früher Leberwurstbrote – heute lieber Süßes
Überraschend neue Erfahrungen gibt es immer wieder. Zum Beispiel die, dass sich der Geschmack im Laufe einer Demenz verändert. Angehörige reagieren irritiert: „Früher gab es Leberwurstbrote und deftige Speisen – und jetzt mag mein Vater süßes Gebäck!?“ Dann klären die Mitarbeitenden mit ihrem Fachwissen auf.
Fähigkeiten weiter nutzen
Mittwochnachmittag in der Wohngruppe des DiakonieVerbands an der Cansteinstraße in Bielefeld-Brackwede: Die Betreuerin bereitet unter Anteilnahme einer größeren Runde einen Apfelkuchen mit Zimtstreuseln zu. Eine Frau, die fleißig Apfelschnitze schneidet, fragt immer wieder: „Mache ich das richtig?“ und freut sich über jede Bestätigung. Eine zweite entfernt die Schale mit einem scharfen Messer. – Ein Messer?? „Keine Sorge“, heißt es. „Viele alte Fähigkeiten sind noch da“, sagt die Betreuerin.
Essen im Vorbeigehen
Bei Bewohner*innen mit besonders großem Bewegungsdrang greift das Konzept „Eat by Walking“: An „Ess-Oasen“ steht Fingerfood bereit, etwa Gurkenstückchen, Cocktailtomaten, Schokolade oder Kekse.
Tischdekoration – aber sicher
Die Tischdekoration wird liebevoll und jahreszeitlich gestaltet. „Natürlich muss sie ungiftig sein oder gut verpackt“, betont Irina Gieswein, „denn in gewissen Phasen essen manche Menschen alles.“ Geeignet seien beispielsweise Gläser mit einem Schraubverschluss.
Woran Irina Gieswein erkennt, ob es den Bewohner*innen schmeckt? Sie lächelt: „Schauen Sie einfach in ihre Gesichter.“