Die Wohnküche ist der beliebteste Raum in jeder Pflege-WG. Denn hier ist immer etwas los. Auch während der Corona-Pandemie muss niemand in seinem oder ihrem Zimmer bleiben, denn das Sicherheitskonzept greift. Die Senior*innen können zusehen, wie das Mittagessen gekocht wird und selbst mitmachen, soweit es ihre Fähigkeiten zulassen. Fast wie früher.
Eingewöhnungszeit verkürzt sich
Das verkürzt die Eingewöhnungszeit beträchtlich. „Viele fühlen sich schon nach einer Woche pudelwohl“, sagt Einrichtungsleiterin Sabrina Knopp. „Außerdem werden die Sinne aktiviert.“
„Heute mal ´ne schnelle Koche“
Die meisten Gerichte werden frisch zubereitet, aktuell zum Beispiel Spargel. „Manchmal heißt es aber auch: Heute mal ´ne schnelle Koche. Dafür bleibt vielleicht später Zeit zum Kuchen backen“, weiß Sabrina Knopp.
Lieblingsgerichte wecken Erinnerungen
Es geht darum, spontan zu bleiben, persönlich und individuell zu handeln. Dabei haben die Pflege- und Betreuungskräfte die Lebensgeschichte jedes Menschen im Blick, sprich die Biografie. Ergänzend werden Erfahrungen der Angehörigen einbezogen. Auch, was die Speisen betrifft. Da kommen „Klassiker“ wie Sonntagsbraten und Gulasch auf den Tisch, aber auch Lieblingsgerichte von Senior*innen aus Schlesien oder Ostpreußen und gern mal ein „Eierlikörchen“. „Wir hatten einmal eine Bewohnerin aus Asien. Also gab es Nasi Goreng. Das weckte Erinnerungen an ihre Heimat und trug dazu bei, dass sie sich bei uns geborgen fühlte.“ Wichtig: Die Bewohner*innen gestalten den Speiseplan mit.
Gar nichts tun ist auch in Ordnung
Manche Frauen schälen gern Kartoffeln. Andere falten Handtücher. Wieder andere Bewohner*innen machen gar nichts. „Völlig in Ordnung“, sagt ihre Betreuerin. „Sie haben ihr ganzes Leben lang gearbeitet. Jetzt können sie ausruhen.“
Früher Leberwurstbrote – heute lieber Süßes
Überraschend neue Erfahrungen gibt es immer wieder. Zum Beispiel die, dass sich der Geschmack im Laufe einer Demenz verändert. Angehörige reagieren irritiert: „Früher gab es Leberwurstbrote bis zum Abwinken, und jetzt mag mein Vater süßes Gebäck??“ Dann klären die Mitarbeitenden mit ihrem Fachwissen auf.
„Sie sind darin geschult, sich in die Bewohner*innen einzufühlen, im Kontakt auf Augenhöhe und im Gespräch zu sein. Genau das macht die Mäeutik aus; das heißt die erlebnisorientierte Pflege“, sagt Silke Stitz. Sie ist Pflegeberaterin bei der Diakonie Gütersloh und seit 33 Jahren in der Pflege tätig. Als Mäeutik-Trainerin unterstützt sie alle Pflege-WGs der Diakonie Gütersloh.
Fähigkeiten weiter nutzen
Mittwochnachmittag im Haus Trinitatis: Übungsleiterin Monika Hempel bereitet unter Anteilnahme einer größeren Runde einen Apfelkuchen mit Zimtstreuseln zu. Eine Frau, die fleißig Apfelschnitze schneidet, fragt immer wieder: „Mache ich das richtig?“ und freut sich über jede Bestätigung. Eine zweite entfernt die Schale mit einem scharfen Messer. – Ein Messer?? „Keine Sorge“, heißt es. „Viele alte Fähigkeiten sind noch da.“
Naschen erlaubt
Zwischendurch darf genascht werden. Eine schöne Gelegenheit, um auch jenen demenziell Erkrankten ein Stück Apfel anzubieten, die wenig essen – ein Teil des Krankheitsbildes. Wer nicht mehr in der Lage ist, mit Messer und Gabel zu hantieren, darf auch mit den Fingern zulangen.
Essen im Vorbeigehen
Bei Bewohner*innen mit besonders großem Bewegungsdrang greift das Konzept „Eat by Walking“: An „Ess-Oasen“ steht Fingerfood bereit, etwa Hackfleischbällchen, Schokolade oder Kekse. Manchmal gibt es auch Getränkestationen mit dem einladenden Hinweis „Heute kostenlos“ – das funktioniert.
Tischdekoration – aber sicher
Die Tischdekoration wird liebevoll und jahreszeitlich gestaltet. „Natürlich muss sie ungiftig sein oder gut verpackt“, sagt Sabrina Knopp, „denn in gewissen Phasen essen manche Menschen alles.“ Geeignet seien beispielsweise Gläser mit einem Schraubverschluss.
Woran Sabrina Knopp erkennt, ob es den Bewohner*innen schmeckt? Sie lächelt: „Schauen Sie einfach in ihre Gesichter.“