Den Anfang machte bereits an Silvester 2020 das Johann-Heermann-Haus in Sennestadt: 101 von 130 Bewohner*innen und 35 Mitarbeitende ließen sich bisher impfen. Am 2. Januar 2021 folgte das Ernst-Barlach-Haus in Brackwede. Dort erhielten bislang 91 der 100 Bewohner sowie 46 Kolleg*innen ihre erste Dosis. An einem Folgetermin werden noch insgesamt 43 weitere Mitarbeitende der beiden Häuser geimpft. Neben den beiden Leitungen der Altenheime, Achim Jung (JHH) und Birgit Vogelsang (EBH), beteiligten sich sämtliche zehn weiteren Leitungskräfte – sowohl die Pflegedienst- als auch die Wohnbereichsleitungen. Sie gehen mit gutem Beispiel voran.
„Die Impfung ist wichtig. Sie ist aber freiwillig und keinesfalls ein Zwang“, betont Björn Neßler, Geschäftsführer der DiakonieVerband Brackwede GmbH und Vorstand des Diakonie Gütersloh e.V. „Wir nehmen die Sorgen unserer Mitarbeitenden sehr ernst!“ Daher bietet die Diakonie im Unternehmensverbund für ihre Mitarbeitenden beispielsweise Informationsveranstaltungen mit einem Impfarzt, einen Podcast im Intranet und bereitet FAQs auf. „Der Weg zu mehr Akzeptanz der Impfung kann nur über Zuhören und Aufklärung erfolgen“, so Neßler weiter. „Deshalb hoffe ich sehr, dass die Bundesregierung die Impfkampagne so gestaltet, dass Impfberechtigte wie unsere Pflegekräfte sich aus eigenem Antrieb daran beteiligen, anstatt aus Angst vor Restriktionen“, so Neßler weiter.
Rund drei Wochen nach der Erstimpfung ist jeweils eine zweite Impfung zur Immunisierung fällig. Dann können auch weitere Bewohner*innen und Pflegekräfte teilnehmen, die bisher aus verschiedenen Gründen – wie gesundheitlichen Problemen, Bedenken wegen der neuartigen Technologie und Bedarf an erneuter Rücksprache beispielsweise mit einem Gynäkologen – noch nicht geimpft wurden.
Mit Blick auf den Teutoburger Wald: „Hier fühle ich mich zuhause“
Dietrich Schulz lebt seit 2015 im Ernst-Barlach-Haus. Kurz zuvor war seine Frau Ruth eingezogen, die zunehmend Unterstützung benötigte. Dietrich Schulz wollte bei ihr sein. Er wählte ein passendes Zimmer „mit Blick nach Osten auf den Teutoburger Wald“ und richtete es als Wohnzimmer für das Paar ein. Selbst nach dem Tod seiner Frau blieb er im EBH, statt zu seiner Tochter nach Nürnberg zu ziehen. „Hier fühle ich mich wirklich zuhause“, erklärt er.
Seine Kindheit und Jugend verbrachte er auf Rügen, bis es ihn 1949 nach dem Tod seiner Mutter „in die Welt“ trieb. „Das war ein Abenteuer“, sagt Dietrich Schulz heute. Als gelernter Kraftfahrzeugschlosser kam er nach Brackwede, fand hier sein Glück: Er bekam Arbeit, lernte seine Frau Ruth kennen. 1952 heirateten die beiden. Ein Jahr darauf komplettierte ihre Tochter das Familienglück.
Auch wenn Brackwede selbst nicht „die große weite Welt“ darstellt: Dietrich Schulz ist als Monteur und später als Industriemeister weit gereist. Er fand Freunde, nicht nur in ganz Deutschland, sondern auch in der Türkei und Pakistan. 1980 nahm er mit Senioren aus rund 40 Ländern an einer internationalen Leichtathletikveranstaltung in Neuseeland teil. Er strahlt, als er davon erzählt: „Das war unvergesslich! Ich habe dort viele Menschen kennen gelernt, mit denen ich noch lange danach korrespondiert habe.“
Aktiv gegen die Einsamkeit in der Pandemie
Im EBH ist Dietrich Schulz Beiratsvorsitzender. Und er sorgt gern für Geselligkeit. In „normalen Zeiten“ motiviert er die anderen Bewohner*innen seiner Etage zu gemeinsamen Unternehmungen. Doch die Zeiten sind nicht normal. Seit vielen Monaten greift Corona hart in den Alltag ein. Dietrich Schulz nennt ein Beispiel: „Meine Tochter, meine Enkel und Urenkel kamen sonst immer regelmäßig zu Besuch. Die Intervalle sind nun länger geworden, aber wir bleiben per Telefon und Internet in Kontakt.“ Das sei zwar schade, aber der Situation geschuldet.
Andere Bewohner*innen könnten die Situation nicht wirklich begreifen, etwa wenn sie dement sind. „Vor allem im Lockdown glaubten einige wirklich, verlassen worden zu sein“, berichtet der 91-Jährige. Das habe auch der engagierte Einsatz der Pflege- und Betreuungskräfte nicht vollständig abfangen können. Dennoch kann er dem Leben so, wie es jetzt ist, auch Positives abgewinnen: „Der Zusammenhalt im Ernst-Barlach-Haus ist stärker geworden. Viele haben neue Freundschaften geknüpft und sich gegenseitig gestützt, um die Einsamkeit zu überwinden.“
Impfung lässt hoffen
Dietrich Schulz zählt nicht nur wegen seines Alters zur Corona-Risikogruppe. Er hat auch eine Autoimmunerkrankung. Mit seinem Facharzt klärte er Nutzen und Risiken einer Impfung ab, und schon am 2. Januar 2021 krempelte er einen Ärmel für die Injektion hoch. Wie es ihm danach erging? „Die Einstichstelle habe ich gar nicht gemerkt. Zwei Tage lang hatte ich das Gefühl, dass mein Gesicht etwas warm war, und ein paar Tage nach der Impfung taten mir die Knochen weh. Das war´s.“
Den Heimleitungen fällt ein Stein vom Herzen
Die Impfung gegen das Corona-Virus ist freiwillig. Birgit Vogelsang zeigt sich nach dem ersten Durchgang sehr erleichtert: „Zwar bietet erst eine Folgeimpfung den größtmöglichen Schutz. Trotzdem fällt uns schon jetzt ein Stein vom Herzen.“ Unter den Mitarbeitenden sei die Impf-Skepsis zunächst groß gewesen – zum Beispiel zur Wirkweise des Impfstoffs, den Nebenwirkungen und Langzeitfolgen, oder weil sie sich Sorgen wegen ihrer Fruchtbarkeit machen. Doch inzwischen wirke das, was die Geimpften berichten, sehr motivierend: „Einige Kolleginnen und Kollegen haben genau geschaut, wie es den Menschen ergangen ist. Und weil alles gut verlaufen ist, werden beim nächsten Termin 17 weitere Pflegekräfte die erste Dosis erhalten“, kündigt Birgit Vogelsang an. Weitere Impfwillige können dann bei einem der Folgetermine nachziehen. „Außerdem bieten wir Beratungsgespräche an, um möglichst klar und transparent zu informieren“, so Birgit Vogelsang weiter. Mit dem 91-jährigen Dietrich Schulz ist sie sich einig: „Wir alle freuen uns darauf, bald wieder ein normales Leben führen zu können!“