Stellungnahme zu den geplanten Kürzungen in der Flüchtlingsberatung des Diakonie Gütersloh e.V.

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Die Personalstellen in der Flüchtlingsberatung des Diakonie Gütersloh e.V. sollen ab dem 01.01.2026 halbiert bzw. von 2,0 Vollzeitstellen auf 1,0 Vollzeitstelle reduziert werden.

Die Konsequenzen fehlender Beratungsstrukturen und -kapazitäten sind jedoch verheerend und die negativen Auswirkungen immens. Nachfolgend geben wir Ihnen einen kurzen Überblick über die aus den Kürzungsplänen resultierenden komplexen Folgen - nicht nur für die Geflüchteten selbst, sondern auch für die Stadtgesellschaft in Gütersloh.

Insgesamt leben mehr als 4.000 geflüchtete Personen* in Gütersloh (ca. 4% der Einwohner der Stadt Gütersloh). Dieser Anteil ist deutlich höher als in anderen Städten in NRW und im Kreis Gütersloh. Für alle Geflüchteten ist die Flüchtlingsberatung der Diakonie Gütersloh die einzige unabhängige Beratungsstelle. Alle anderen Flüchtlingsberatungsstellen anderer Träger, sowie Migrationsberatungsstellen der Caritas mussten wegen fehlender Finanzierung bereits in den vorherigen Jahren aufgegeben werden.
Die Verteilung dieser Beratungskapazitäten ist jetzt schon ungleich verteilt und würde bei einer Streichung einer Stelle bei der Flüchtlingsberatung weiteres Ungleichgewicht erhalten.

Beratung stellt ein Kernelement rechtsstaatlichen Handelns dar und durch einen weiteren Rückgang von Beratungskapazitäten bei einer unabhängigen Beratungsstelle in Gütersloh verabschieden wir uns als Stadtgesellschaft von zentralen Zielen und Aufgaben. Qualifizierte Beratung, Teilhabe und Integration werden nach und nach zu Worthülsen. Vielmehr benötigt der Arbeitsbereich „Flüchtlingsberatung“ eine grundsätzliche Stabilisierung, Verlässlichkeit und Planbarkeit, um die über viele Jahre aufgebauten Strukturen und die hohe Fachlichkeit zu erhalten und zu stärken.

Die Streichung einer Fachkraftstelle wird u.a. damit begründet, dass Geflüchtete auch die städtischen Angebote nutzen können. Aktuell zeigt sich die Versorgungslage für Geflüchtete in Gütersloh wie folgt: Geflüchtete, die noch in städtischen Flüchtlingsunterkünften leben, bilden nur einen kleinen Teil aller Geflüchteten in Gütersloh. Aktuell (Stand: Januar 2025) sind dies 959 Personen.

Diese Personen können sich an die städtischen SozialarbeiterInnen des Team Asyl wenden. Dort sind derzeit deutlich mehr Stellen als in der Flüchtlingsberatung vorhanden. Außerdem berät das städtische Kommunale Integrationsmanagement (KIM) vor allem Menschen, die gesondertes Case Management benötigen, auch MigrantInnen ohne Fluchthintergrund. Das KIM berät (Stand 09/24) insgesamt 40 Fälle – verteilt auf 3,0 Vollzeitstellen und 1,0 Koordinierungsstelle. Die Beratungsangebote des KIM und des Team Asyl sind - als städtische Angebote - stark an die Wohnsituation und an Einzelfälle geknüpft.
Die Beachtung des Subsidiaritätsprinzips im Kontext der Flüchtlings- und Migrationsarbeit bedeutet mehr als nur reine Arbeitsteilung zwischen freien und öffentlichen Trägern. Vielmehr ermöglicht Subsidiarität und die Stärkung von Angeboten freier Träger erst eine zielgerichtete, anwaltschaftliche und integrationsfördernde Beratung. Zudem haben freie Träger durch ihre Nähe zu den Betroffenen eine wichtige „Frühwarnfunktion“.

Die Beratungsstelle der Diakonie Gütersloh hat im vergangenen Jahr (2024) 865 verschiedene Personen in insgesamt 3.845 Beratungsgesprächen beraten. Mit den dazugehörigen Familienangehörigen wurden somit mehr als 1.700 Personen erreicht. Dies erfolgte mit dem oben genannten und nun zur Reduzierung beabsichtigten Stellenumfang von 2,0 Vollzeitstellen. Mit dieser Reduzierung würde der Verlust von qualitativ hochwertiger und tiefergehender Beratung und geschultem Personal einhergehen, welches über eine hohe Kompetenz im sich ständig wandelnden Asyl- und Aufenthaltsrecht verfügt. So befindet sich ein nicht geringer Teil der BewohnerInnen der städtischen Unterkünfte noch im Asylverfahren oder hat eine Duldung. Diese Personen wenden sich häufig bevorzugt an die Flüchtlingsberatung der Diakonie.

Zudem leben mehr als drei Viertel der Geflüchteten in Gütersloh nicht mehr in städtischen Unterkünften und können sich lediglich an die Flüchtlingsberatung der Diakonie wenden. Das Argument, dass die Stadt durch die Einrichtung der Landesunterkünfte keine Zuweisungen mehr erhält, greift zu kurz. Die Erfüllungsquote für anerkannte Flüchtlinge ist für die Stadt Gütersloh deutlich erhöht, was sich aus dem Zuzug von kürzlich anerkannten Geflüchteten aus anderen Städten deutlich bemerkbar macht. Die Stadt und die Region sind wirtschaftlicher Motor und locken vor allem Menschen im Niedriglohnsektor in unsere Stadt. Diese Menschen leben und arbeiten in äußerst prekären Verhältnissen und wenden sich fast ausschließlich an die Flüchtlingsberatung der Diakonie Gütersloh.

Des Weiteren organisiert und unterstützt die Flüchtlingsberatung der Diakonie das ehrenamtliche Engagement der Gütersloher BürgerInnen im Bereich Flucht. Die Organisation des Begegnungszentrums Café Connect, die ehrenamtlich geführten Sprachkurse, die Angebote des AK Asyl, die Betreuung und Begleitung der 60 Ehrenamtlichen, die explizite Förderung von geflüchteten Frauen und viele weitere Angebote müssten bei Streichung der zweiten Vollzeitstelle entfallen. Das „Café Connect“ ist ein gemeinsames Projekt der Evangelischen Kirchengemeinde Gütersloh und des Diakonie Gütersloh e.V. und besteht seit 2016. Das Café Connect ist eine zentrale Anlaufstelle für Geflüchtete und Ehrenamtliche in der Flüchtlingsarbeit in Gütersloh und kann ausschließlich durch Spenden finanziert werden. Diese vielfältigen Angebote würden dann nicht mehr zur Verfügung stehen. Weitere Anlaufstellen für all diese Angebote gibt es in Gütersloh nicht.

Bei dem Verlust einer Vollzeitstelle in der Flüchtlingsberatung würden konkrete Beratungs- und Unterstützungsangebote für Geflüchtete und deren Familien komplett gestrichen. Die Vermittlung in Arbeit und Ausbildung, die Wohnungssuche, die Versorgung mit Sprachkursen, Schul- und Kitaplätzen, die Teilhabe an gesellschaftlichem Leben und zahlreiche weitere Hilfen könnten in dieser Form nicht mehr adäquat angeboten werden. Die Folgen wären zunehmende Destabilisierung und Hilflosigkeit von Geflüchteten im Umgang mit Behörden und Anträgen, weniger Vermittlung in Arbeit und Ausbildung, Orientierungslosigkeit von neu zugezogenen Geflüchteten, weniger Angebote für alleinerziehende Mütter und geflüchtete Frauen, deutlich weniger Angebote für geflüchtete Jugendliche und schlussendlich die fehlende Anbindung an die Gütersloher Gesellschaft. Daraus resultierende vielschichtige und sich verfestigende Probleme wie zunehmende Armut, Obdachlosigkeit, psychosoziale Krisen und Ver-/ Überschuldung, sowie Jugendkriminalität und familiäre Probleme bis hin zu häuslicher Gewalt und zunehmende Radikalisierung wären absehbar. Neben den negativen Folgewirkungen für die genannten Personengruppen wäre ein Schaden für die Integration, die Wirtschaft und die Gesellschaft zu erwarten. Es wäre von einer Verschiebung bzw. Verlagerung öffentlicher Ausgaben mit steigender Tendenz zu rechnen. Ein kurzfristig zu erzielender Einspareffekt würde einen negativen Bumerangeffekt mit den skizzierten Szenarien nach sich ziehen.

Die Flüchtlingsberatung der Diakonie Gütersloh trägt mit ihren zahlreichen Angeboten wesentlich zur sozialen Sicherung und dem sozialen Frieden in Gütersloh bei. Sie übernimmt sozialanwaltliche Funktionen und tritt als Mittlerin zwischen Staat und den geflüchteten Menschen auf. Diese soziale Arbeit kann weder vom Staat noch von privat-gewerblichen Anbietern in gleicher Weise und in gleicher Qualität geleistet werden.

Wir fordern daher, die Flüchtlingsberatung der Diakonie Gütersloh mit dem bisherigen Stellenumfang über das Jahr 2025 hinaus bestehen zu lassen, um die angemessene Versorgung der mehr als 4.000 Geflüchteten zu gewährleisten und bestehende Strukturen für die Integration der Geflüchteten und ein gelingendes Miteinander in Gütersloh zum Wohle der Stadtgesellschaft nicht zu gefährden. Wir denken dabei insbesondere an das Erstarken von zunehmenden rassistischen Einstellungen und den politischen und gesellschaftlichen Frieden in der Gütersloher Gesellschaft.