Der Respekt Coach in Gütersloh ist beim Jugendmigrationsdienst (JMD) der Diakonie Gütersloh angesiedelt. Bisher wurde die Stelle mit zusätzlichem Geld vom Bund nahezu vollständig gefördert. Doch für 2023 ist im Bundeshaushalt ein solcher Zuschuss nicht mehr vorgesehen.
Das halten nicht nur Vertreterinnen des JMD in Gütersloh für ein Unding. Auch Schülervertreterinnen der Anne-Frank-Schule setzen sich dafür ein, dass „ihre“ Respekt Coachin Arbnora Seferi-Qengaj bleiben kann. Dies machten sie jüngst in einem Gespräch mit der Bundestagsabgeordneten Dr. Wiebke Esdar (SPD) deutlich – Gütersloh ist ihr Betreuungswahlkreis. Der JMD hatte dazu ins Café Connect in der Gütersloher Kirchstraße eingeladen.
„Alles würde wegfallen, was die Kollegin aufgebaut hat“
Arbnora Seferi-Qengaj konnte aus gesundheitlichen Gründen an dem Termin nicht teilnehmen. Dafür machten sich die Anwesenden umso vehementer für sie stark. Dorothee Großkraumbach vom JMD betonte: „Es geht hier auch nicht nur um eine Arbeitsstelle. Alles würde wegfallen, was die Kollegin in den vergangenen Monaten aufgebaut hat.“
Und das ist einiges, wie drei Schülervertreterinnen von der Anne-Frank-Schule berichteten: „Arbnora zeigt uns, wie wir Themen wie Rassismus näher an die Schülerschaft heranbringen können“, so Schülersprecherin Maria-Alexandra Sirghi. „Mit den Ideen und der Hilfe der Respekt Coachin konnten wir zum Beispiel unseren SV-Tag besser planen und um Aktivitäten und Angebote bereichern.“ Etwa jeder dritte von insgesamt 30 Workshops sei auf Initiative der Respekt Coachin zustande gekommen. „Außerdem“, so Maria-Alexandra Sirghi weiter, „können wir mit Arbnoras Hilfe mehr finanzielle Unterstützung erhalten, denn uns steht für unsere SV-Arbeit sehr wenig Geld zur Verfügung.“
Zu den bereits umgesetzten Gruppenangeboten gehören:
- der Workshop „Mobbing stoppen – Werte vermitteln“, ein intensives Training für die siebten Klassen mit Unterstützung des Rappers Martin Ritsch aka „2schneidig“ aus Hannover. Das Motto: „Lass uns reden“ Reden bringt Respekt“ (Mehr unter: https://afs-gt.de/workshop-mobbing-stoppen-werte-vermitteln/)
- Resilienztraining zur Stressbewältigung. Dabei sollten Schülerinnen und Schüler der achten Klasse auch lernen, mit Niederlagen umzugehen.
Viele Schülerinnen und Schüler hatten sich solche Angebote gewünscht
Viele Schülerinnen und Schüler hatten sich solche Angebote gewünscht, so das Ergebnis von Umfragen. Neue Pläne werden ebenfalls geschmiedet: So ist ein Rockfestival an der Gesamtschule im Gespräch, wie SV-Mitglied Janne Mia Clausen berichtete. Die Musikveranstaltung sei nicht nur für die Schule gedacht, „sondern von und mit der Schule, zum Beispiel auch für die Eltern und andere Interessierte.“ Dabei gehe es erneut um Rassismus und Courage. Hinter der Finanzierung steht allerdings noch ein großes Fragezeichen.
Und Juliet Louise Schrull als Mitglied der Schülervertretung (SV) schloss mit den Worten: „Auf die Anne-Frank-Schule kommen immer wieder neue Schülerinnen und Schüler. Auch sie müssen über unsere Werte und unser Demokratieverständnis aufgeklärt werden. Daher würden wir uns freuen, wenn das Respekt Coach-Programm fortgeführt wird. Als zertifizierte ‚Schule ohne Rassismus – Schule mit Courage‘ können wir dann auch unsere Friedensbotschaft besser nach außen tragen.“
„Ein Cut wäre den Jugendlichen kaum vermittelbar“
„Hier jetzt einen Cut zu machen und die Respekt Coach-Stelle einfach zu streichen, das wäre den Jugendlichen gerade in diesen schwierigen Zeiten kaum vermittelbar“, fügte JMD-Mitarbeiterin Marieke Purnhagen hinzu.
Noch gibt es Hoffnung: Am 10. November findet die Bereinigungssitzung des Haushaltsausschusses statt. Es ist die abschließenden Sitzung im Aufstellungsverfahren eines Haushaltsplan, in der offen gebliebene Punkte und Anträge abschließend beraten und abgestimmt werden. Frau Esdar versicherte bei dem Treffen, sich verstärkt für das Respekt-Coach-Programm einzusetzen und zusammen mit den zuständigen Kolleg*innen für einen passenden Entwurf zu sorgen.
Gleichzeitig bat sie um Verständnis: „Die Haushaltsverhandlungen sind von harten, wirklich schmerzhaften Kürzungen betroffen, auch im Bereich der Bildung.“
Zumindest der JMD muss nicht mehr zittern: Der Haushaltsausschuss des Deutschen Bundestages beschloss vor wenigen Tagen, erneut 8 Millionen Euro zur Finanzierung der Jugendmigrationsdienste (JMD) in Deutschland zu bewilligen. „Ich bin froh, dass wir hier nachsteuern konnten“, so Dr. Wiebke Esdar, „auch weil die Zahl geflüchteter Menschen, die nach Deutschland kommen, aktuell wieder steigt. Auch vor dem Hintergrund des demografischen Wandels und des Fachkräftemangels ist es uns als SPD wichtig, Kinder- und Jugendliche mit Migrationsgeschichte bei ihrer Integration in Bildung, Arbeit und die Gesellschaft zu unterstützen.“ Vor diesem Hintergrund verdiene die Arbeit des JMD große Anerkennung. „Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Jugendmigrationsdienste sorgen mit dafür, dass sich die Kinder und Jugendlichen gut und schnell sozial und beruflich integrieren können“, so Esdar weiter.
Das „Respekt Coach-Programm“
Im Jahr 2018 startete der Jugendmigrationsdienst (JMD) das Programm „Respekt Coaches“. Es soll Rassismus und Ausgrenzung entgegenwirken und damit zum sozialen Frieden beitragen. Präventive Angebote gibt es an 270 Schulen in Deutschland, darunter seit Januar 2022 an der Anne-Frank-Gesamtschule in Gütersloh. Dort arbeitet der JMD eng mit der Schulleitung, der Schulsozialarbeit, den jeweiligen Klassenlehrer:innen und den Kindern und Jugendlichen zusammen.
Respekt Coach Arbnora Seferi-Qengaj hat zunächst Vertrauen aufgebaut und in vielen Gesprächen die Bedarfe für diese Schule ermittelt. Nun soll ein Präventionskonzept entstehen und darauf aufbauend weitere (Gruppen-) Angebote wie AGs, Exkursionen, Seminare, Ausstellungen und Vorträge. „Wichtig ist hierbei vor allem, dass ich mich mit lokalen Trägern vernetze, sodass ich auch nachhaltigere Projekte anbieten kann“, erläutert Arbnora Seferi-Qengaj.
Statement der Schulleitung der Anne-Frank-Schule
„Wir sind sehr froh darüber, dass wir Arbnora Seferi-Qengaj als Respekt-Coach an unserer Schule haben. Sie ist jederzeit für alle am Schulleben Beteiligten ansprechbar und hat bereits zahlreiche Projekte an der AFS initiiert. ((So hat sie beispielsweise beim SV-Tag die Schüler*innen zum Thema „true courage comes from within“ bei der Planung der Workshops unterstützt sowie für einzelne Klassen Trainings zum Thema Mobbing und Diskriminierung organisiert. Aktuell versucht sie für alle Jahrgänge ein Präventionskonzept zu verschiedenen Themenfeldern zu erstellen.)) Für uns als Anne-Frank-Schule ist ihre Arbeit sehr gewinnbringend und wird von Schüler*innen und Lehrer*innen sehr geschätzt.“
(Jan Rüter und Gudrun Hönemann; Schulleitung)