„Daddeln“ an der „digitalen Tafel“ im Johann-Heermann-Haus: Mit moderner Technik die Freizeit für Senior*innen kreativer gestalten und Bewegung fördern

Reinhard Grotz (103) und Ingrid Schwabe (90, 2. v. l.), sind angetan von der „digitalen Tafel“ im Altenheim Johann-Heermann-Haus. Ergotherapeutin Sarah Eisner (2. v. r.) und Sandra Lahlou (l.), die Leiterin Betreuung und begleitender Dienst im JHH, stehen den Bewohner*innen mit Rat und Tat zur Seite. ©DiakonieVerband Brackwede

Reinhard Grotz (103) liebt es, Tier-Motive zu gestalten. © Diakonieverband Brackwede

Knifflige Fragen machen Reinhard Grotz besonders viel Spaß am „Care Table“. Er freut sich auch schon auf ein Schachspiel. © Diakonieverband Brackwede

Reinhard Grotz ist ein Phänomen: Gerade hat der 103-Jährige die neue „digitale Tafel“ im Altenheim Johann-Heermann-Haus (JHH) ausprobiert. „Das finde ich gut!“, ruft er aus. „Das ist schön und regt die Fantasie an!“ „Daddeln“ am Computer ist offenbar nicht nur etwas für jüngere Semester. Deshalb kommt digitale Technik auch bei der Freizeitgestaltung und der Aktivierung pflegebedürftiger Menschen zum Einsatz.

 

Seit wenigen Wochen nutzt beispielsweise der DiakonieVerband Brackwede den „Care Table“, wie die Tafel eigentlich heißt. Ergotherapeutin Sarah Eisner schiebt den rollbaren 43-Zoll-Touchscreen nah an Reinhard Grotz und seine Mitbewohnerin Ingrid Schwabe (90) heran. Aber nur so nah, dass sich beide etwas strecken müssen, um den Bildschirm zu berühren. Das ist Absicht, denn neben der geistigen Fitness soll auch die Beweglichkeit gefördert werden.

Ingrid Schwabe wirkt etwas skeptisch, aber ebenfalls neugierig. Sie möchte zunächst Memory spielen und später ein Mandala „ausmalen“. Erst zaghaft, dann immer mutiger berührt die Seniorin den Bildschirm. Sarah Eisner vom Begleitenden Dienst hilft sofort, falls etwas nicht gleich klappt. „Sieht toll aus“, sagt Ingrid Schwabe zufrieden beim Betrachten ihres Kunstwerks. Theoretisch könnte sie es per Scan-Code an Angehörige schicken. Aber das muss heute nicht sein.

Anschließend geht es darum, Tiergeräusche zu erkennen. Dieses Spiel ist auch und gerade bei demenziell erkrankten Menschen beliebt. Wenig später vergleicht Reinhard Grotz, auf welcher von zwei Seiten mehr Geld liegt. Und freut sich, dass er richtig gerechnet hat. 

Viele Gäste finden Gefallen daran, bei Bewegungsspielen wie „Glühwürmchen einsammeln“ aktiv zu sein oder bekannte Musik zu hören. Ein Vorteil für jüngere Betreuungskräfte: Sie können den Text für „gute alte“ Volkslieder einfach vom Bildschirm ablesen und mitsingen. 

 

„Ich habe in meinem Leben schon genug gelernt“

„Das Gerät wird von den Bewohnern in der Regel sehr gut angenommen“, berichtet Sandra Lahlou, Leiterin Betreuung und Begleitender Dienst im JHH. „Aber natürlich gibt es auch Menschen, die mit moderner Technik nichts mehr am Hut haben wollen. Sie sagen: Es reicht. Ich habe in meinem Leben schon genug gelernt.“

Die digitale Tafel spricht verschiedene Bewohnergruppen an, zumal sich unterschiedliche Schwierigkeitsstufen einstellen lassen. Geistig fitte Menschen werden so besonders gefordert und gefördert, zum Beispiel beim Gedächtnistraining. Sprichwörter erraten gehört dazu – der Anfang eines Sprichworts wird dabei vorgegeben. Anschließend können die Teilnehmenden aus vier Alternativen die korrekte Fortsetzung wählen.

Persönliche Betreuung und Gespräche bleiben wichtig

Trotz aller technischen Möglichkeiten: Die persönliche Betreuung und das Gespräch bleiben wichtig. Die Betreuungskräfte und Mitarbeitenden vom Begleitenden Dienst im JHH verwenden den „Care Table“ vor allem bei der Gruppenarbeit. „Meine Kolleginnen und Kollegen sind alle begeistert“, berichtet  Sarah Eisner, die schon seit 15 Jahren im JHH arbeitet. „Wir ziehen neue Anregungen aus dem Gerät.“ Praktisch sei laut Sandra Lahlou auch, dass viele Materialen schon vorhanden seien, zum Beispiel für ein Quiz. „Das Gerät selbst ist groß und robust. Man kann also nichts kaputt machen.“

Die Bewohner*innen werden aktiver“

Der Spaßfaktor ist groß. „Wir erleben einen positiven Effekt auf die psychosoziale Gesundheit“, sagt Sarah Eisner. „Außerdem stärkt das gemeinsame Spielen und Malen das Gemeinschaftsgefühl. Insgesamt werden die Bewohner*innen aktiver. Und sie führen Bewegungen aus, die sie allein auf ihrem Zimmer nicht umsetzen würden“, so die Ergotherapeutin.

Virtuelle Städte-Reisen wecken Erinnerungen

Noch haben die Seniorinnen und Senioren nicht alle Möglichkeiten ausprobiert. Bei „Städte-Reisen“ werden Erinnerungen wach und persönliche Erlebnisse im Gespräch geteilt. Virtuell können die Teilnehmenden nach Amsterdam, Paris oder Rom fahren. Sehenswürdigkeiten lassen sich heranzoomen und aus unterschiedlichen Perspektiven betrachten.

Die Tafel wird, wie der Name „Care Table“ schon sagt, auch horizontal wie ein Tisch genutzt, etwa für „Mensch ärgere dich nicht“ oder „Rummikub“. Oder für Schach, was sofort Reinhard Grotz auf den Plan ruft: „Schach kann das auch? Oh, das ist gut!“

„Care Table“ kommen auch in weiteren Einrichtungen der Diakonie zum Einsatz, etwa in den Tagespflegen in Gütersloh (Kirchstraße 16) und im Haus „Am Ahornpark“ (Rheda-Wiedenbrück).

 

Kontakt zum JHH:  Isabela Heyduk, Telefon 0521 94239-330, E-Mail: isabela.hejduk@diakonie-bielefeld.de