Schloß Holte-Stukenbrock, 13. Mai 2025. Was nützt die schönste Bushaltestelle vor dem Haus, wenn man nur unter Lebensgefahr dorthin kommt? Mit Tempo 100 und mehr rasten Pkw und Lkw auf der L756 – Bielefelder Straße am Schlieffenhof entlang, einer an sich traumhaft gelegenen Pflege-WG der Diakonie Gütersloh. Auf die gegenüberliegende Straßenseite zu kommen, zur Haltestelle in Richtung Stukenbrock, war gerade für alte, langsame Menschen mit Rollator kaum machbar. Deshalb startete die heute 92-jährige Bewohnerin Ursula Förster vor zwei Jahren eine Unterschriftenaktion – und brachte damit einen Stein ins Rollen. Seit wenigen Tagen ist die Gefahrenstelle nun durch neue Schilder weitgehend entschärft. Jetzt gelten Tempo 70 und ein Überholverbot auf beiden Seiten.
Die Geschwindigkeitsbegrenzung umzusetzen, klingt einfach, ist aber aufwendig. Zwei Mitarbeiter des Landesbetriebs Straßenbau NRW, in diesem Fall von der Straßenmeisterei in Rheda-Wiedenbrück, installierten am Mittwoch die neu angeordnete Beschilderung. In Höhe des Schlieffenhofs ist die Geschwindigkeit in beide Fahrtrichtungen nun auf 70 km/h begrenzt. Außerdem besteht in beide Fahrtrichtungen ein Überholverbot, und durch weitere Gefahrzeichen wird auf die querenden Fußgänger sowie auf Rückstaus zum nahegelegenen Kreuzungsbereich hingewiesen.
Senioren sind mobiler geworden
„Dass hier noch nichts richtig Schlimmeres passiert ist, liegt wohl am Schutzengel“, sagt Ursula Förster. „Wenn ich bisher über die Straße ging, zitterten mir die Knie …“ Als sie in den Schlieffenhof einzog, habe sie noch gar nicht an Ausflüge mit dem Bus gedacht. „Aber dann habe ich mich hier so gut erholt, dass ich wieder mehr unternehmen konnte.“ Das treffe auch auf andere Bewohner zu, betont Einrichtungsleiterin Frauke Moritz. „Die schwierige Verkehrssituation hat außerdem Arbeitskollegen zu schaffen gemacht, die zu Fuß oder mit dem Rad kommen, und zum Beispiel Familien aus den drei Reihenhäusern hinter dem Schlieffenhof.“
„Ich kann mich noch gut erinnern“, so Frauke Moritz weiter: „Als ich 2012 hier anfing, galt sogar noch eine Tempo-70-Regelung. Aber dann wurde eine Abbiegespur eingerichtet und danach Tempo 100 eingeführt.“ Daher unterstützte sie Ursula Försters Aktion von Anfang an. Gut 50 Unterschriften kamen zusammen. Ursprünglich hatten die Beteiligten sogar auf eine Fußgängerampel gehofft.
Die Stadtverwaltung von Schloß Holte-Stukenbrock und auch Eigentümer Magnus v. Schlieffen, der im Jahr 2006 einen alten Stall auf dem Hofgelände in ein gemütliches Senioren-Wohnheim umgebaut hatte, waren schon lange Befürworter der Tempo-70-Regelung gewesen. Geraume Zeit konnten sie sich nicht durchsetzen, obwohl sie alle erdenklichen Hebel in Bewegung gesetzt hatten.
Verkehrskontrollen brachten die Wende
Schließlich wurde die Polizei beauftragt, intensive Verkehrskontrollen durchzuführen. „Die Auswertungen zeigten, dass es einen klaren Handlungsbedarf gab“, berichtet Johanna Seppendorf. Sie ist bei der Stadt Schloß Holte-Stukenbrock für Verkehrsfragen zuständig. „Die zulässige Geschwindigkeit von 100 km/h wurde zum Teil deutlich überschritten. Das Überholverbot, das bisher nur in Fahrtrichtung Stukenbrock bestand, wurde mehrfach missachtet, und aufgrund von Rückstauungen im angrenzenden Kreuzungsbereich der L751-Oerlinghauser Straße mit der L756-Bielefelder Straße gab es auffällig viele Auffahrunfälle.“ In Betracht gezogen wurde außerdem, dass sich auf der gegenüberliegenden Straßenseite ein Geh- und Radweg befindet und beidseitig eine Bushaltestelle.
Alle Verantwortlichen am „Runden Tisch“
Anfang des Jahres 2025 sorgte schließlich ein „runder Tisch“ aller Verantwortlichen für eine Lösung: Stadt, Landesbetrieb Straßenbau NRW, Polizei und der Kreis als Aufsichtsbehörde wurden sich einig, die Geschwindigkeit vor dem Schlieffenhof zu reduzieren.
„Was lange währt, wird endlich gut.“ Pfarrer Carsten Glatt von der Ev. Kirchengemeinde Schloß Holte-Stukenbrock zeigte sich vor Ort sichtlich erfreut von der positiven Entwicklung am Schlieffenhof. „Frau Förster hat wirklich einen langen Atem bewiesen und etwas für die Bewohnerinnen und Bewohner, die Mitarbeitenden und alle anderen erreicht, die die Straße an dieser extrem gefährlichen Stelle überqueren oder auch nur mit dem Auto auf sie einbiegen wollen.“
Magnus v. Schlieffen fügte hinzu: „Ich freue mich sehr, dass die Behörden erkannt haben, dass an der Stelle die Geschwindigkeit auf der Straße reguliert werden muss. Viele Jahre haben sich die Anwohner und unsere Familie darum bemüht. Die Unterschriftensammlung und das besondere Engagement einer hochbetagten Bewohnerin haben schließlich zum Erfolg geführt. Ich danke den Anwohnern, danke aber auch den Behörden für die Umsetzung.“
„Danke“, sagte auch Ursula Förster, „dass sich nach zwei Jahren die mühsame Arbeit aller Interessierten doch noch gelohnt hat. Aber im Blick behalten möchten wir trotzdem eine Fußgängerampel als einzig wirkliche Sicherheit zur Überquerung der Straße. Ich werde das wohl nicht mehr erleben, aber hoffentlich meine Nachkommen.“
„Mich beeindruckt das Engagement von Frau Förster sehr“, so Karsten Stüber, Vorstand der Diakonie. „Ihr Beispiel zeigt, dass man auch im hohen Alter Einfluss auf gesellschaftliche Entscheidungen nehmen und daraus Zufriedenheit ziehen kann. Positiv stimmt mich darüber hinaus, dass mehrere Bewohner im Schlieffenhof wieder fitter und unternehmungslustiger geworden sind. Auch Dank der neuen Verkehrslösung ist es ihnen nun möglich, wieder mehr zu unternehmen.“
* Landesbetrieb Straßenbau NRW wird auch gern abgekürzt als „Straßen NRW“.
Das WDR Fernsehen war ebenfalls vor Ort. Der Fernsehbeitrag wurde am 13.05.2025 in der WDR Lokalzeit Ausgestrahlt.