Der neue Eigentümer des sogenannten „Männerwohnheims Dammstraße“ in Gütersloh fordert die Bewohner wegen angeblicher Umbauarbeiten zum Auszug auf. Viele haben ihre Zimmer bereits aufgegeben. Andere Bewohner haben Kündigungen wegen behaupteter Mietschulden erhalten. Die verbliebenen 30 Bewohner sind sich unklar über ihre Rechte und haben Angst vor der Wohnungslosigkeit. Die Wohnungslosenhilfe der Diakonie Gütersloh e.V. setzt sich zusammen mit dem Mieterschutzbund OWL für den Schutz dieser Menschen ein.
Neun aufgebrachte und verunsicherte Bewohner des Wohnheims kamen zu einer Informationsveranstaltung in die Räume der Diakonie Gütersloh. Auch in den Folgetagen klingelt das Telefon der Beratungsstelle – weitere Bewohner bitten um Rat. Der Frust ist groß, denn die Betroffenen haben Angst vor der Obdachlosigkeit. Gastrednerin Sarah Bohnke ist Geschäftsführerin des Mieterbundes OWL. Sie nimmt die Sorgen der Menschen ernst. Ruhig, kompetent und für Laien verständlich erklärt sie, welche Rechte den Mietern zustehen und wie sie sich gegen Kündigungen und Räumungsaufforderungen zur Wehr setzen können. Das deutsche Mietrecht biete umfassenden Kündigungsschutz auch bei Umbauarbeiten, auf keinen Fall sollten die Menschen sich drängen lassen, einfach auszuziehen, erklärte die Volljuristin. „Viele wissen leider nicht, dass sie als Sozialleistungsbezieher Anspruch auf kostenlose Beratungs- und Prozesskostenhilfe haben“, so Bohnke. Sie rät den Betroffenen dringend, nicht auszuziehen und verweist bei Fragen an den Mieterbund oder rechtsanwaltliche Beratung. Auch Mitarbeitende der Wohnraumsicherung der Stadt Gütersloh sind anwesend. Auch dort haben sich Mieter der Häuser in der Dammstraße gemeldet und um Unterstützung gebeten. Es ist spürbar, dass die Informationen dringend nötig sind und die Veranstaltung den Teilnehmenden in ihrer Angst und Unsicherheit hilft.
Was war Anlass der Aktion? Die Unterkünfte des ehemaligen Gütersloher „Männerwohnheims“ in der Dammstraße wurden seit vielen Jahren von der LEG Wohnen bewirtschaftet und günstig an zumeist einkommensschwache, alleinstehende Männer vermietet. Die beiden Gebäude haben zusammen ca. 50 möblierte Einzelzimmer und sind mit Gemeinschaftssanitäranlagen ausgestattet. Anfang des Jahres veräußerte die LEG die Gebäude an einen Geschäftsmann aus Rheda-Wiedenbrück. Direkt nach Übernahme kündigte der neue Eigentümer den Mietern in der Dammstraße umfassende Renovierungsarbeiten an. Schriftlich und mündlich wurden die Mieter aufgefordert, sich bis Juni 2024 alternativen Wohnraum zu suchen. „Das waren keine Kündigungsschreiben. Trotzdem haben viele Bewohner sich davon verschrecken lassen und sind ausgezogen, bevor wir davon erfuhren und helfen konnten“, berichtet Jan Sassenberg, Leiter der Wohnungslosenhilfe der Diakonie. „Ziel des Vermieters scheint es, in den Wohnheimen eine möglichst große Zahl von südost-europäischen Arbeitnehmern unterzubringen“. Die Bewohner berichten, dass denjenigen, die nicht zum Auszug bereit waren, der Umzug in ein bereits renoviertes Zimmer im Wohnheim angeboten worden sei, allerdings für fast die doppelte Miete. „In den Mietverträgen, die wir kennen, liegen die neuen Mieten zwar noch gerade im Rahmen der Angemessenheit des Bürgergeldes, das allerdings nur wegen sehr niedriger Nebenkostenvorauszahlungen. Wir befürchten, dass hier nach Erhalt der ersten Nebenkostenabrechnungen Kostensenkungsverfahren durch das Jobcenter eingeleitet werden und die Betroffenen sich dann nächstes Jahr ihre Unterkunft nicht mehr leisten können“, erklärt Sassenberg.
Laut Aussagen der Bewohner würden freiwerdende Zimmer sofort wieder an Tönnies-Mitarbeiter vermietet, ohne größere Umbauarbeiten. Die Zimmer seien nun jeweils von zwei bis drei Personen bewohnt. Früh morgens und spät in der Nacht kämen Busse, um die Arbeiter abzuholen und wiederzubringen. Der ständige Lärm sei nicht auszuhalten, auch die Anwohner seien aufgebracht. Seitdem habe sich auch die Hygiene im Haus dramatisch verschlechtert, denn Toiletten, Duschen und Flure würden trotz wiederholter Aufforderungen der Bewohner vom neuen Vermieter nicht mehr gereinigt, obwohl der laut den alten Mietverträgen dazu verpflichtet wäre.
„Als Wohnungslosenhilfe setzen wir uns ein für den Schutz und Wohnraum von Menschen in prekären Lebensverhältnissen. Wir haben die Verwaltung der Stadt Gütersloh über die Vorgänge informiert mit der Bitte um Prüfung, ob hier ordnungsrechtliche Verstöße vorliegen“, erklärt Friederike Schleiermacher, Fachberaterin der Wohnungslosenhilfe. „Die Info-Veranstaltung war für uns ein Erfolg und mein Eindruck ist, dass die Bewohner nicht wehrlos aufgeben werden, sondern sich rechtlich beraten und vertreten lassen werden.“ Die Mitarbeitenden der Wohnungslosenhilfe wollen auch weiter zusammen mit anderen Akteuren in der Stadt für die Rechte der Menschen im Wohnheim Dammstraße kämpfen.
Kontakt zum Fachbereich "Wohnungslosenhilfe" bei Rückfragen:
Jan Sassenberg
Leiter Wohnungslosenhilfe
Diakonie Gütersloh e. V.
Tel.: 05241-986/3208
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